Autismus-Spektrum Störung (ASS)

in der Ergoptherapie Nufringen

Es kommt darauf an zu verstehen !

Autistische Menschen verstehen lernen - das möchten wir. Ob Eltern oder Freunde, Erziehende, Betreuende, Lehrende, Therapeuten oder Ärzte, wenn wir aufmerksam sind, spüren wir im Umgang mit autistischen Menschen alle, dass wir sie nicht gut genug verstehen: vieles kommt uns widersprüchlich, merkwürdig oder auch sinnlos und grundlos vor. Der erste wichtige Schritt, um zu verstehen, ist zu erkennen: Es kommt uns so vor.

In älteren Symptomlisten früherer Jahre stand geschrieben „grundloses Geschrei“. Das wäre als würde jemand ohne Grund schreien! Wir tun das (hoffentlich) nicht und von Autismus Betroffene auch nicht. Bereits hier lag und liegt in manchen Fällen auch heute noch das Kommunikationsproblem: Uns ist kein Grund für das Geschrei ersichtlich. Das Problem dabei ist leicht zu erklären. Der Schreiende kann uns den Grund nicht mitteilen und wir erkennen diesen nicht. Die Verständigung funktioniert (so) nicht. Das ist aber keinesfalls ein unlösbares Problem, denn wir alle kennen genau dieses Problem und können mehr oder weniger alle damit gut umgehen. Von Säuglingen und Kleinkinderen wissen wir, sie schreien, weil etwas in ihrer Welt nicht in Ordnung ist, aber sie können uns noch nicht sagen was die Ursache ist. Beim Säugling oder Kleinkind mit dem "Kinderbonus" sind wir geduldig, einfühlsam, verständnisvoll und gehen auf das Kind mit allen erdenklichen Versuchen ein, um die Ursache zu finden und das Kind zufrieden zu stellen, damit es nicht mehr schreit.

Wie äußert sich das ?

Wenn Autisten sich von uns abwenden, glauben wir, dass sie keinen Kontakt zu uns wollen. Dabei haben wir nicht an die Möglichkeit gedacht, dass die Brücke zwischen ihnen und uns anders sein müsste. Zum Beispiel weil „technische Probleme“, die in der "Physik und Chemie“ des Körpers liegen, für uns normale und gewöhnliche Verständigungsformen unmöglich machen.

Wir müssen uns klar machen, wie anders ihre Wahrnehmung funktioniert, dass ihre Sinne ihnen ganz andere Bilder der Wirklichkeit vermitteln, als dies bei uns der Fall ist. Ferner, dass die Verbindung zwischen verschiedenen Wahrnehmungssystemen (z.B. Sehen und Hören) nicht so läuft wie wir annehmen, und schon gar nicht die Verbindung zwischen Wissen, Wollen und Handeln. Damit ist eine erste Verständnisbasis geschaffen.

Die Störungen des autistischen Spektrums (ASS) werden in der ICD-10 (International statistic classification of deseases and related health problems) unter dem Begriff „Tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ eingeordnet. Die ICD-10 beschreibt die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen folgendermaßen:

„Diese Gruppe von Störungen ist durch qualitative Beeinträchtigungen in gegenseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern sowie durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten charakterisiert. Diese qualitativen Abweichungen sind in allen Situationen ein grundlegendes Funktionsmerkmal der betroffenen Person. Eine zusätzliche Voraussetzung für die Diagnose einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung ist der Beginn in der Kindheit. Für die Diagnose müssen Auffälligkeiten in drei Bereichen vorliegen, dabei kann das Ausmaß der Störung von Untergruppe zu Untergruppe verschieden ausgeprägt sein. Der Umgang mit komorbiden Störungen wie einer gleichzeitigen Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit oder einer Depression ist nicht klar geregelt."

Die Einteilung der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen nach ICD-10 sind:

  • Frühkindlicher Autismus
  • Atypischer Autismus
  • Rett-Syndrom
  • Andere desintegrative Störungen des Kindesalters
  • Überaktive Störungen mit Intelligenzminderung und Stereotypien
  • Asperger-Syndrom
  • Sonstige tiefgreifende Entwicklunsstörungen.

Frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom und atypischer Autismus gelten als die Autismus-Spektrum-Störung.

Zunahme der Häufigkeit

In neueren Studien der letzten Jahre wird die Häufigkeit des frühkindlichen Autismus mit 1-4 pro 1.000 Kindern angegeben, für die Autismus-Spektrum-Störungen mit 6,5 pro 1.000. Somit liegt statistisch unter 150 Kindern im Durchschnitt bei einem Kind eine Autismus-Spektrum-Störung vor. Es handelt sich insofern nicht um eine seltene Störung. Seit der Jahrtausendwende hat die Zahl der positiven Diagnosen aus dem autistischen Spektrum zugenommen. Das ist allerdings nicht durch eine tatsächliche Zunahme der Erkrankung zu erklären, sondern durch veränderte Definitionen in den Klassifikationen, durch eine frühere und bessere Diagnostik und durch sozialrechtliche Veränderungen. Heute wird früher und besser erkannt. 

Weil es auf das Verstehen des anderen ankommt

Vielleicht weil es so wichtig ist noch einmal anschaulicher anhand eines Beispiels, wie man sich in die Welt des anderen hineinversetzen und diese besser verstehen kann:

Stellen wir uns einen Besuch einer europäischen Delegation in einem religiösen arabischen Land vor. Die Männer werden von Männern mit der ausgestreckten Hand begrüßt, die Frauen nicht. Man würde das in unseren Breitengraden als unhöflich, nicht zeitgemäß und unfreundlich empfinden. Versuchen wir uns in die arabische Welt mit Ihrer Religion, Ihren Traditionen und dem hineinzudenken, was Generationen von Kindheit an gelehrt wurde, dann kann ein arabischer Mann nur unter Verstoß gegen fast alles, was ihm als wichtig und heilig erklärt wurde zu verstoßen und auch Anstoß auszulösen bei anderen. Verstehen wir diese Welt, so verstehen wir auch, dass wenn wir als Frau einen Handschlag erwarten oder verlangen, wir unseren gegenüber in Konflikte bringen.

Nehmen wir die gleiche Situation bei einem Besuch in Japan. Auch hier würde traditionell nimand einer Frau die Hand geben. Einem Mann aber auch nicht. Denn in Japan leben extrem viele Menschen auf extrem engem Raum zusammen und mussten über Jahrhunderte lernen sich nicht gegenseitig zu infizieren. In Japan wird Sauberkeit und Hygiene sehr ernst genommen, da Ansteckungen bei einer solchen Bevölkerungsdichte auf engstem Raum katastrophale Folgen haben würden. Früher wurde es manchmal als unhöflich bezeichnet, dass Japaner keine Hand geben. Heute - in Zeiten von Covid-19 - tun wir plötzlich dasselbe und haben jedes Verständnis, verlangen sogar von unserem Gegenüber keine Hand zu geben. 

So schnell lernen wir aus einer Not heraus andere zu verstehen. Wenn wir diese Bereitschaft Menschen mit einer A,utistischen Störung entgegenbringen, werden wir feststellen dass wir auch diese deutlich besser verstehen werden und alles wird viel einfacher, besser und schöner.

Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten !

 

Autismusausstellung

 

Autisten malen ihre eigene Welt und zeigen sie Ihnen in einer eigenen Ausstellung, zu sehen in der Ergotherapie Nufringen, der weit über die Region hinaus bekannten Praxis für Ergotherapie von Reinhilde Weiss in Nufringen im Landkreis Böblingen, zwischen Herrenberg, Sindelfingen, Böblingen und Stuttgart.

Die Ausstellenden und ihre Exponate

Eine Säule ist übersät mit Abkürzungen. LSFH steht da, darunter kleingeschrieben: Landschaftsflughafen. Weiter geforscht ergeben sich BCDE für Backcenterdorfecke und andere, auf den ersten Blick merkwürdige Wortschöpfungen. Für einen Autisten sind sie nicht ungewöhnlich, auch nicht merkwürdig, denn er lebt in einer Welt, in der die Fantasie eigenen und oft einsamen Wegen folgt. Die Ausstellung bringt diese Fantasie aus dieser Einsamkeit heraus ans Licht und zeigt uns die Welt und die Fantasie aus der Sicht von Autisten. In anderen Worten: Autisten helfen uns allen sie besser verstehen zu können. Das lohnt sich für jeden von uns!

Die Ausstellung im Nufringer Hermelink-Haus, organisiert von Reinhilde Weiss als angesehene Autismus-Therapeutin und Expertin, Gründerin und Inhaberin der Ergotherapie Nufringen, umfasst Werke von insgesamt zehn Autisten, die von ungemeiner Kreativität, aber auch von Ängsten und Sehnsüchten erzählen.

Joe Kooker

So setzt der 33-jährige Joe Kooker aus Leipzig seine Sehnsucht nach Frauen in Bilder um, in denen eben diese fehlen. Er malt Pullover und Jacken, die Identität der Angebeteten erfindet er hinzu: "Dies ist der Body einer Frau vor dem schiefen Turm von Pisa", erläutert eine Beschriftung. In neueren Bildern finden Menschen Einlass, eine große Leistung für jemanden, dem der zwischenmenschliche Kontakt Probleme bereitet. Übergroße Augen und Nasen, eckige Gesichter der Maler hebt hervor, was er überdeutlich wahrnimmt. Bei Autismus handelt es sich ja eben um eine andere Art der Wahrnehmung. In den Bildern offenbaren sich darum solche spezifischen Interessen oder Ängste, zum Beispiel vor der Begegnung mit anderen Menschen

Corinna Heidepriem 

Corina Heidepriem ist seit einigen Jahren in der Kunst und Theater-Werkstatt Thikwa in Berlin tätig, doch niemals vor Publikum. Viele ihrer Bilder zeigen verschiedene perspektivisch konstruierte Objekte in Kombination mit farblich hervorgehobenen Einzelfiguren. Letztere sind die bilddominanten Motive und heben sich insbesondere durch ihre farbenfrohe Gestaltung und ihre überdimensionale, plakative Proportionierung von allen anderen Bildelementen ab.

Corina ist in ihren Wahrnehmungen und deren visualisierte/ästhetische Umsetzung sehr genau, sehr konkret und sehr poetisch. Ihre Zeichnungen sind gewissermaßen fortlaufende Protokolle von konkretem Geschehen und dem ihr darin/daran Wesentlichen: Zahnarztbesuch; Besuch eines Aquariums; ein Kühlschrank der nicht funktioniert und „ihre Cola“ nicht kühlt, was für sie „katastrophal“ ist; Teile von Bühnenaufbauten von Stücken in denen sie spielt; eine Blutentnahme, wie die Behandlung beim Zahnarzt etwas in-sie-Hineingreifendes; die Blutentnahme, die Fahrt mit der U-Bahn zu Arbeit, der gelegentliche, ganztätige, alleinige Besuch eines Flughafens: alles ein immer neues visuelles, akustisches, mentales, sentimentales Chaos. Sie ordnet immer in einem Raum (oder Behälter) an; in dem ihre bildnerischen Zitate (in der Summe ihrer Weltsicht) zu schweben scheinen; aber Dinge/Merkantiles finden sich auch aufgereiht in Regalen liegend; häufig wiederkehrend „der gestreifte Fisch“, in ihrer Form jener Fisch mit dem die Frühchristen sich untereinander zu erkennen gaben; das gestreifte Dreieck: eigentlich ein Flugdrache, ihr Utensil mit dem sie über eine Schnur mit der Außenwelt verbunden ist und das Wohin durch die Schnur dirigieren kann. Flugzeuge die immer aufsteigen; der Kreis, das Quadrat, das Oval/Ei, der Rhombus: diese essentiellen geometrischen Grundformen miteinander zu „Superzeichen“ kombiniert, jetzt Zeichen ähnlich jener Zeichen, die Hausierer“ an Türen hinterlassen um untereinander zu kommunizieren. Mitunter finden sich in ihren Zeichnungen schwebende Partikel, die Erbsen und andere Hülsenfürchte symbolisieren; für sie etwas (konkret) panisch machendes, etwas was womöglich in ihr „aufgehen“ und beginnen könnte zu wachsen? Ihre Zeichnungen sind eine Art „zu sich oder sich zu finden“; sich immer wieder zu verorten. Um über sie und nur über sie mit anderen (uns) zu sprechen / zu kommunizieren; bis dahin, dass sie Zeichnungen “speziell“ für den anfertigt, dem sie sie überreicht um sich emotional zu verbinden.

Patrick Ott

In Althütte zu Hause, hat er eine ganz eigene Welt erschaffen:
Patrick Ott ist Schöpfer der Fantasiewelt „Schaalottokontinent“. In Schaalottoland gibt es Wohnhäuser, Paläste, Parks, Berge und Seen, doch es ist eine geordnete, akribisch bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Welt, die nichts dem Zufall überlässt. Das zentrale Werk ist eine Übersichts-Kontinentkarte, auf der Gebirge, Wälder, Flüsse und Meere sowie die einzelnen Länder, beispielsweise „Cunaria“, verzeichnet sind. Immer weiter differenzierte sich Otts Kunstwelt aus, in der Menschen, Elfen und andere Wesen friedlich miteinander leben. Im Gesamtwerk sind detaillierte gezeichnete Straßenkarten der Menschen-Hauptstadt zu finden, Ansichten von Wohnhäusern, selbst Abbildungen von Bewohnern. Neben den visuellen Repräsentationen „Schaalottos“, die unter anderem auch als Malereien existieren, entwickelte Ott die Sprache „Speak-Schaalottos“, die in einem Wörterbuch mit 90.000 Einträgen ihren Ausdruck findet und die eine eigene Phonetik und Grammatik aufweist. Ott erfindet zudem Geschichten, die in seiner Kunstwelt spielen und deren Akteure die Bewohner sind. Zuletzt hat Ott daraus ein selbst produziertes Hörspiel erstellt.

Birek Spranger

Birek Spranger hat an japanische Mangas angelehnt, ein Comik, Geschichtenbuch mit "Germangas" verfasst, außerdem eine Szene daraus in ein großes Format umgesetzt. Alle Geschichten sind erfunden, erklärt er entschieden.

Willy Schauland

Willy Schauland zeichnet sowohl im Kurs „Freies Malen und Gestalten“ der Bauhausschule Cottbus als auch in seiner Freizeit. Vorzugsweise illustriert er mit spitzem Blei- oder Farbstift auf Papier die unterschiedlichsten Wegsysteme: Neben Schienen, Rohrleitungen, Schaltsystemen und Labyrinthen interessieren Schauland Ameisenvölker und deren Wegsystem. In einem Querschnitt kann man unterirdische Gänge nachverfolgen, Wasserbecken und Futterplätze entdecken. All diese Netzwerke werden von Schauland ähnlich einem Bauplan stark vereinfacht dargestellt, so dass das Systemische ins Blickfeld rückt. Selten wird der Untergrund farbig gestaltet, meist wird das Weiß des Malgrundes beibehalten. Bienen hingegen, seine Lieblingstiere, präsentiert er anders als die Ameisen, nicht in Aktion, sondern gleich einem Sezierkasten fein säuberlich aufgereiht, als wolle er dies archivieren und dokumentieren. Neben Systemen und Insekten hat Schauland ein großes Interesse für Bahnschranken, Andreaskreuze, Heizwerke und Feuerwerkskörper.



Die Künstler geben ihrer besonderen Art der Wahrnehmung eine Gestalt, ebenso auch ihren Ängsten. Wir erhalten als Betrachter einen Einblick in eine im ersten Moment eigenartig wirkende Welt, die dann aber fasziniert und zu Verstehen hilft.

Wir sind spezialisierte Therapeuten der Ergotherapie Nufringen, die in der Praxis für Ergotherapie von Reinhilde Weiss mit autistischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen arbeiten.


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